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»Ganz sicher schreibe ich irgendwann zumindest einen Piratenroman.«

Ein Beitrag aus der Serie:

»Eine Autorin
ist auch nur ein Mensch«

Interviews mit Lieblingskolleginnen.
Heute: Mascha Vassena

Natürlich ist das meiste, was wir schreiben, frei erfunden. Unser Privatleben hat damit nichts zu tun.
Eigentlich.

Aber zugleich sind Autorinnen immer auch Leserinnen, Rumreiserinnen, Spaziergängerinnen, Träumerinnen … Und vielleicht prägt das, was uns dabei verzaubert, unsere Geschichten doch viel mehr, als wir es ahnen?

Ich habe nachgefragt. Heute bei Mascha Vassena.

 

 

Foto: © Jim Fokautorin portraet

Heike: „Geschmack ändert sich permanent, und die Dinge, wir früher mochten, hatten irgendwann mal eine große Bedeutung für uns. Verrätst du, wie die erste Platte heißt, die du selbst gekauft hast? Welcher Film bei deinem ersten Kinobesuch lief? Und was dein allererstes Lieblingsbuch war? Was davon hat nachhaltigen Eindruck bei dir hinterlassen?“

Mascha: „Ich habe keine Ahnung mehr, welcher mein erster Kinofilm war. Auch meine Eltern können sich nicht mehr erinnern. Aber ich weiß noch, welches der erste Kinofilm war, den ich alleine gesehen habe: „James Bond – Der Mann mit dem goldenen Colt.“ Ich fand Abenteuer und Action schon immer interessanter als zu Tränen rührende Romantik. Ich wollte immer lieber Robin Hood sein als Maid Marian und selbst Abenteuer erleben statt darauf zu warten, gerettet zu werden.

An meine erste selbstgekaufte Platte kann ich mich noch erinnern. Das war die einzge Platte, die Kajagoogoo je herausgebracht hat: „White Feathers“. Ich war 13, unsterblich in den bubihaften Sänger mit seiner Strubbelfrisur verknallt und habe „Too shy“ wahrscheinlich fünfzigtausend Mal gehört. Es dauerte noch ein paar Jahre, bis mein Geschmack sich besserte. Seither höre ich gerne Alternative, Rock und Hardrock. Es darf aber auch mal Pop sein. Zu Hause höre ich allerdings ganz selten Musik, auch beim Schreiben brauche ich Ruhe. Im Auto drehe ich dafür voll auf.

Mein erstes Lieblingsbuch war „Pippi Langstrumpf“: Ohne Eltern in einer chaotischen Villa zu leben, ausgestattet mit genug Geld, guten Freunden und Superkräften – was kann ein Mädchen mehr wollen? Pippi war witzig, hatte keinen Respekt vor Erwachsenen und probierte einfach alles aus, worauf sie Lust hatte. Mein erstes Role Model, auch wenn ich in Wirklichkeit nicht besonders mutig bin. Niemand würde mich jemals dazu bringen, einen Bungeesprung zu machen. Aber ich war schonmal im Hochseilgarten und habe mich in sechs Meter Höhe durch den Wald gehangelt – das reicht mir, um mein Adrenalinlevel zu pushen.“

Heike: „Als Autorinnen verbringen wir alle viel Arbeitszeit im Sitzen – ganz egal, ob wir den eigenen Schreibtisch bevorzugen oder das Laptop mit ins Café nehmen. Wie bringst du als Ausgleich ein bisschen Bewegung in dein Leben? Welche Sportart hast du als ‚deine‘ entdeckt? Und was magst du daran?“

Mascha: „Ich mache Sport nur, weil ich sonst Rückenschmerzen kriege. Wenn Lesen und Fernsehen fit machen würden, käme ich nicht einmal auf den Gedanken, mich zu bewegen. Aber man muss ja – denn noch mehr als Sport hasse ich es, mich träge und unbeweglich zu fühlen. Inzwischen laufe und schwimme ich ganz gerne. Beides Sportarten, die mich früher grandios angeödet haben. Und ich schwöre auf Youtube-Fitnessvideos zum Mitmachen. So spare ich mir den Gang ins Fitnessstudio (und eine Menge Geld). Eine halbe Stunde Rumhüpfen oder Gymnastik am Tag muss sein. Aber generell: Zeitverschwendung.“

Heike: „Es gibt viele schöne Orte. In Städten, in Dörfern, mitten in der Natur. Aber nur an ganz bestimmten geht einem das Herz auf. Wie sieht der Ort aus, der so schön ist, dass du am liebsten weinen möchtest?“

Mascha: „Den einen Lieblingsort gibt es nicht für mich, aber es gibt einen, an den ich immer wieder zurückkehre: Die Punta San Vigilio am Gardasee. Zum ersten Mal war ich als Elfjährige mit meinen Eltern dort. Damals kannte den Platz kaum jemand, inzwischen kosten Prosecco und Antipasti im kleinen Hafencafé fast so viel wie in Rom auf der Piazza Navona. Aber es ist immer noch ein verwunschener Ort, an dem man sich der Welt entrückt fühlt. Dorthin nehme ich nur Menschen mit, die mir wirklich wichtig sind.

Venedig und Turin sind Städte, die ich immer wieder besuche und wo ich die Ideen zu meinen letzten beiden Romanen hatte. Mir fiel irgendwann auf, dass es immer Orte sind, die mich zu Geschichten führen. In Turin war es das Café Mulassano, ein winziges Schmuckkästchen mit viel altmodischem Charme, in Venedig der Palazzo Fortuny, ehemals Wohn- und Wirkungsstätte eines Kostüm- und Bühenndesigners.

Der atemberaubendste Ort, den ich je besucht habe, war Mont St. Michel. Diese Insel mit der labyrinthischen Abtei auf der Spitze wirkt auf mich wie aus einem Traum gefallen. Kein Wunder, dass sie zum wichtigen Schauplatz meines ersten Romans wurde, einer Fantasygeschichte, die während der französischen Revolution spielt. Einen besseren Ort für einen Showdown zwischen Gut und Böse kann es kaum geben.“

Foto: © privat

Heike: „Hin und wieder sind Autorinnen ja auch on Tour. Zum Beispiel zu Lesungen, zu Verlagsbesuchen oder zur Buchmesse. Wie reist du am liebsten? Fliegst du? Fährst du mit dem Auto? Nimmst du die Bahn? Und was magst du an dieser Art, unterwegs zu sein?“

Mascha: „Wenn man sich beamen lassen könnte, wäre das meine bevorzugte Art, von A nach B zu gelangen. Bis das möglich ist, fahre ich Zug oder fliege, je nach Entfernung des Reiseziels. Eine Zeitlang hatte ich Flugangst und bin öfter mit dem Nachtzug gefahren – die zur Improvisation zwingende Enge und das Gefühl, nicht zu wissen, wo man sich gerade genau befindet, erzeugen in mir das Gefühl, dass alles Mögliche passieren könnte. Das setzt meine Fantasie in Gang. Ich habe immer gehofft, morgens an einem völlig anderen Ort aufzuwachen als dem, an den ich reisen wollte. Ist leider nie vorgekommen.“

Foto:  © privat

Heike: „Wovon hast du als Kind geträumt? Was wolltest du werden? Wo wolltest du leben? Und wie?“

Mascha: „Ich wollte schon immer Piratenkapitän werden, auf meinem Schiff leben und der Schrecken der sieben Meere sein. Ich arbeite noch daran. Ganz sicher schreibe ich irgendwann zumindest einen Piratenroman.“

Foto: © privat

Heike: „Was sind die schönsten Orte, Räume oder Plätze, an denen du je gelesen, gegessen, geschlafen oder geschrieben hast?“

Mascha: „Geschrieben: Das ehemalige Badehaus eines Sanatoriums im Engadin. Ein Künstlerhaus, in dem ich einige Monate verbringen durfte. Ich hatte einen Arbeitsraum mit weißen Wänden, in dem es nichts gab außer einem riesigen alten Tisch und einem Stuhl und wo das Rauschen des Flusses hinter dem Haus alle anderen Geräusche übertönte. Dieses Zimmer vermisse ich immer noch.

Gelesen: Im Liegestuhl auf der Terrasse meines Elternhauses, mit Blick ins Grüne und einem Glas Prosecco neben mir.

Gegessen: Beim Essen kommt es nicht so sehr auf „wo“ an, als auf „mit wem“. Als am schönsten sind mir Mahlzeiten an einem langen Tisch im Freien in Gesellschaft entspannter, gut gelaunter Menschen in Erinnerung.

Geschlafen: An Deck eines alten Segelschiffs unter einem sternenübersäten Firmament.“

Foto:  © privat

Heike: „Vielen Dank, liebe Mascha, für deine spannenden und inspirierenden Antworten!“

Mascha: „Vielen Dank, dass ich mitmachen durfte!“

Die Bücher

Und hier noch für meine Blogleserinnen und -leser ein kurzes Porträt von Mascha Vassena.

Die Autorin

Mascha Vassena, geboren 1970, studierte Kommuniationsdesign, arbeitete nach dem Diplom als Textildesignerin, Werbetexterin, Journalistin und freie Grafikerin. 2001 erhielt sie ein Literaturstipendium der Akademie Schloss Solitude, Stuttgart, 2002 den Literaturförderpreis der Stadt Hamburg. 2005 erschien ihr erstes Buch bei Liebeskind, München. Mascha Vassena lebt am Luganer See und veröffentlichte seit 2011 fünf Romane bei Publikumsverlagen. Sie ist außerdem Mitgründerin von autorendienst.net, unterstützt andere Autoren bei der Romanplanung und gestaltet Buchcover.

Foto: © Jim Fok

Mehr über Mascha Vassena:

Autorinnenwebsite: http://maschavassena.de
Facebook: https://www.facebook.com/vassena.autorin/
Plotberatung und Coverdesign: http://autorendienst.net