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»Das Schreiben ist an keinen Ort gebunden, aber besonders schön ist es zum Rauschen des Meeres«

Ein Beitrag aus der Serie:

»Eine Autorin
ist auch nur ein Mensch«

Interviews mit Lieblingskolleginnen.

 

Natürlich ist das meiste, was wir schreiben, frei erfunden. Unser Privatleben hat damit nichts zu tun.
Eigentlich.

Aber zugleich sind Autorinnen immer auch Leserinnen, Rumreiserinnen, Spaziergängerinnen, Träumerinnen … Und vielleicht prägt das, was uns dabei verzaubert, unsere Geschichten doch viel mehr, als wir es ahnen?

Ich habe nachgefragt.

© Claudia Toman

© Claudia Toman

Heike: „Geschmack ändert sich permanent, und die Dinge, wir früher mochten, hatten irgendwann mal eine große Bedeutung für uns. Verrätst du, wie die erste Platte heißt, die du selbst gekauft hast? Welcher Film bei deinem ersten Kinobesuch lief? Und was dein allererstes Lieblingsbuch war? Was davon hat nachhaltigen Eindruck bei dir hinterlassen?“

Beate: „Meine erste Schallplatte (LP, wohlgemerkt, oh je, so alt bin ich schon) war bezeichnenderweise keine Musikplatte, sondern erzählte die Schatzinsel nach. Also ein Vorläufer eines Hörbuchs, könnte man sagen. Damals war ich acht Jahre alt und hörte sie rauf und runter, bis sie an mehreren Stellen hing und der Tonabnehmer sanft weitergeschubst werden musste. Dann beschlagnahmte ich Papas zweispuriges Tonbandgerät und machte selbst eine Aufnahme: Originellerweise hieß mein erstes Hörspiel (und auch mein letztes) ‚Abenteuer in der Südsee‘. Dazu planschte ich in Mamas Abspülschüssel mit dem Wasser und machte auf meiner Blockflöte unheimliche Vogelstimmengeräusche.

Mein erster Film war ‚Dschungelbuch‘, und das war ein unerhörtes Ereignis. Mein Papa kam nämlich eines Abends von der Arbeit und schlenkerte mit so graublauen Papierstreifen vor meiner Nase herum. Heute glaube ich, er hat die Karten von einem Kollegen geschenkt bekommen, denn bei uns ging man nicht ins Kino, vor allem nicht einfach so, ohne großes Tamtam und tagelanger Diskussionen meiner Eltern im Vorfeld, ob sich die Ausgabe denn lohnte. Und dann also ‚Dschungelbuch‘ und ich war drei Tage danach nicht mehr ansprechbar, so sehr hat mich alles fasziniert.

Vielleicht darf ich noch meinen ersten Theaterbesuch erwähnen? Der legte nämlich tatsächlich den Grundstein zu meiner ersten beruflichen Karriere, denn ich war, bevor ich schrieb, Theaterdramaturgin. Naja, und der erste Theaterbesuch war das Weihnachtsmärchen ‚Kalif Storch‘, noch eindrucksvoller aber war der anschließende Besuch hinter der Bühne und das Gespräch mit dem Hauptdarsteller. Danach stand fest: Ich gehe zum Theater.

Diese drei Ereignisse fanden alle während meiner Grundschulzeit statt und waren prägend. Gelesen habe ich dann, sobald ich Buchstaben entziffern konnte. Doch mein erstes Lieblingsbuch war einige Jahre später ‚Krabat‘ von Ortfried Preußler. Da war alles drin: Spannung, Magie und erste Liebe.“

Heike: „Als Autorinnen verbringen wir alle viel Arbeitszeit im Sitzen – ganz egal, ob wir den eigenen Schreibtisch bevorzugen oder das Laptop mit ins Café nehmen. Wie bringst du als Ausgleich ein bisschen Bewegung in dein Leben? Welche Sportart hast du als ‚deine‘ entdeckt? Und was magst du daran?“

Beate: „Ich mache jeden Morgen noch vor dem Frühstück einen ausgedehnten Spaziergang. Außerdem praktiziere ich Yoga und habe viele Jahre lang Tai Chi gemacht. Alles drei entspannt mich und verändert meinen Fokus: Die Bewegung in der Natur nach außen, Yoga und Tai Chi wendet meinen Fokus nach innen. Das alles tut mir gut.“

Heike: „Es gibt viele schöne Orte. In Städten, in Dörfern, mitten in der Natur. Aber nur an ganz bestimmten geht einem das Herz auf. Wie sieht der Ort aus, der so schön ist, dass du am liebsten weinen möchtest?“

Beate: „Zum Weinen hat mich noch kein Ort gebracht. Aber das Herz öffnet mir unberührte Natur. Deswegen lebe ich seit einigen Jahren mit meinem Mann im Schwarzwald und verbringe die Wintermonate am Meer. Ich liebe alte, wettererprobte Bäume, die geben mir immer ganz viel Kraft.“

Foto: Schreiben im Park. © privat
Heike: „Hin und wieder sind Autorinnen ja auch on Tour. Zum Beispiel zu Lesungen, zu Verlagsbesuchen oder zur Buchmesse. Wie reist du am liebsten? Fliegst du? Fährst du mit dem Auto? Nimmst du die Bahn? Und was magst du an dieser Art, unterwegs zu sein?“

Beate: „Ich reise gerne mit allen möglichen Verkehrsmitteln. Am angenehmsten finde ich das Reisen mit meinem eigenen Wagen oder mit dem Zug, weil da die Landschaft so schön an mir vorbeifliegt und auch meine Gedanken Flügel bekommen.“

Foto: In Syrien. © privat

Heike: „Wovon hast du als Kind geträumt? Was wolltest du werden? Wo wolltest du leben? Und wie?“

Beate: „Eigentlich – und das treibt mir tatsächlich immer wieder die Tränen in die Augen vor Glück – habe ich immer genau von dem geträumt, was ich jetzt tue: Bücher schreiben. Und so leben, wie ich es jetzt kann: Selbstbestimmt. Gemeinsam mit einem wunderbaren Mann, der dasselbe tut wie ich und deswegen auch unsere seltsamen Zwischenzustände kennt und versteht, in die wir Geschichtenerzähler nun mal immer wieder geraten.“

Foto: Beim Schreiben in Australien. © privat

Heike: „Was sind die schönsten Orte, Räume oder Plätze, an denen du je gelesen, gegessen, geschlafen oder geschrieben hast?“

Beate: „Am schönsten gelernt habe ich in Florenz (Studium der Italienischen Literatur) und in New York (Film Making). Am schönsten vorgelesen habe ich im Schloss der Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein. Am schönsten geschlafen habe ich unter einem unfassbaren Sternenhimmel im australischen Outback. Am schönsten essen tue ich immer in guter Gesellschaft. Das Schreiben ist an keinen Ort gebunden, aber besonders schön ist es zum Rauschen des Meeres.“

Foto: Beate Rygiert als Regisseurin in New York. © privat

Das Buch

Beate Rygiert schreibt leidenschaftliche und spannende Bücher, in denen es um Liebe geht und um den Sinn des Lebens. Ihr aktueller Roman „Herzensräuber“ erzählt von einem spanischen Straßenhund, der bei seinem neuen Menschen, dem Antiquar Tobias aus Heidelberg, eine Menge zu tun bekommt: Tobias’ Buchantiquariat läuft nämlich nicht besonders gut, noch dazu hat er gerade eine schmerzliche Trennung hinter sich.

Wie sich herausstellt, hat Zola die Gabe, für jeden Menschen die richtigen Bücher zu finden – denn in jedem „Herzensräuber“ erschnuppert er die Gefühle, die die bisherigen Leser darin hinterlassen haben. So bringt er nicht nur Tobias’ Geschäft auf Vordermann, sondern nach und nach auch dessen chaotisches Liebesleben …

Buchseite des Verlags: randomhouse.de/Taschenbuch/Herzensraeuber…

Die Autorin

Beate Rygiert studierte in München und Florenz Theaterwissenschaft, Italienische Literatur und Musikwissenschaft und arbeitete nach ihrem Abschluss an verschiedenen deutschen Opernhäusern als Dramaturgin.

Seit vielen Jahren lebt sie freiberuflich als Schriftstellerin, Malerin und Filmemacherin. Ihre Arbeiten wurden mit wichtigen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Würth-Literaturpreis und dem Thomas-Strittmatter-Drehbuchpreis, außerdem erhielt sie zahlreiche internationale Stipendien. Sie veröffentlichte die Romane „Bronjas Erbe“, „Die Fälscherin“, „Der Nomade“, „Die Eroberung des Himmels“, „Perlen der Macht“ und „Das Lied von der unsterblichen Liebe“. Außerdem schreibt sie Biografien, internationale Bestseller wie z.B. „Als ich vom Himmel fiel“ mit Juliane Koepcke. Im März 2014 wurde ihr Dokumentarfilm „Amok in Winnenden – Das Leben danach“, eine Auftragsproduktion von 3Sat, ausgestrahlt.

Beate Rygiert lebt und arbeitet in Stuttgart und im Schwarzwald.

Foto: © privat

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